Mila - von Schreckhaft zum Verlasspferd Teil 1
- von Danny
Lesezeit: 17 Minuten, auch als Audio und Videopodcast verfügbar
Hallo liebe Pferdefreundin, lieber Pferdefreund,
heute möchte ich dich auf eine Charakterstudie mitnehmen. Es geht um Mila*. Sie ist eine Hannoveranerstute, 10 Jahre alt und wird hauptsächlich in der Dressur eingesetzt. Ihr Grundcharakter ist typisch für die heutigen Deutschen Sportpferde mit hohem Vollblutanteil. Man kann Mila wie folgt umschreiben:
schreckhaft/impulsiv + bewegungsfreudig + extrovertiert + Lernen: schnell + Exterieur: eher feingliedrig
Aber zuerst ein kleiner Disclaimer, da es in dieser Folge auch um konkrete Trainingstipps geht:
Mir ist es wichtig, dass weder euch noch eurem Pferd etwas passiert. Bitte beachtet unbedingt, dass Pferde große und schwere Tiere sind die aufgrund ihrer Natur zu explosionsartigen Reaktionen neigen. Sie können leicht treten, beißen, steigen oder uns umrennen. Das Ausprobieren der hier beschriebenen Übungen erfolgt daher auf eigene Gefahr! Sollte es sich bei dem Pferd um ein außergewöhnlich schwieriges oder gefährliches Tier handeln sucht besser kompetenten Rat vor Ort. Bitte brecht das Training sofort ab, wenn ihr das Gefühl habt, es könnte gefährlich oder unkontrollierbar werden. Für eine persönliche Beratung stehe ich euch natürlich zur Verfügung. Meldet euch einfach unter: fragen@bluesky-horsemanship.de
Passt also gut auf euch auf & ich wünsche euch ganz viel Spaß mit der heutigen Folge 🙂
Video
Audio
Timecodes
0:00 Intro & Disclaimer
1:17 Beschreibung von Mila
5:30 Die erste Stunde mit Sonja und Mila
7:09 Milas Horsemanship Trainingsplan
7:50 Erste Maßnahme - Entspannung belohnen
9:42 Die neue Führposition
11:13 Weiter Entspannung im Training belohnen
12:44 Desensibilisierung: Wie aus Angst Neugier wird
15:45 Fazit des ersten halben Jahres und Ausblick auf folgende Podcasts
Inhalt
- Beschreibung von Mila
- Die erste Stunde mit Sonja und Mila
- Milas Horsemanship Trainingsplan
- Erste Maßnahme - Entspannung belohnen
- Die neue Führposition
- Weiter Entspannung im Training belohnen
- Desensibilisierung: Wie aus Angst Neugier wird
- Fazit des ersten halben Jahres und Ausblick auf folgende Podcasts
Mila soll keine großen Turniere gehen, sondern an der einen oder anderen Reitstunde mit ihrer Besitzerin teilnehmen und ab und zu gemeinsam raus ins Gelände. Das war die Idee, allerdings kommt so etwas ja meist anders als gedacht. Als Sonja vor 3 Jahren Mila kaufte stand sie da mit Weidebauch, wenig Muskulatur und die Ausbildung war praktisch schon vergessen. Der Vorbesitzer hatte aus Zeitmangel wenig mit Mila gemacht und so stand sie recht lange einfach auf der Weide. Dazu kam eine Schreckhaftigkeit, die anfangs sehr extrem war. Sonja hat sich in der Zeit schon einiges mit Mila einiges erarbeitet.

Sie hatte schon Bodenarbeit und vor allem Gelassenheitstraining ohne Erfolg probiert. Sie hatte das Gefühl, dass nun die Halle in der sie geübt hatte wieder gruseliger war als zuvor. Da sie bei der Bodenarbeit noch Anfängerin war hat sie sich an mich gewandt, um nicht die Arbeit der letzten 3 Jahre zu gefährden. In unserem ersten Telefonat hat sie mir dann ihre gemeinsame Geschichte erzählt und wir konnten sofort zwei kurzfristige und zwei langfristige Ziele finden. Sie wollte gerne lernen, wie sie am Boden besser mit der Schreckhaftigkeit von Mila zurechtkommt. Es ist mehrfach passiert, dass Mila sie weggerempelt und einmal sogar umgestoßen hatte, weil sie sich erschreckt hat. Dem Stallpersonal erging es da nicht besser und auf dem Hof führen jetzt nur noch zwei der Angestellten und Helfer Mila zur Weide, die anderen trauten sich schon nicht mehr. Außerdem hat sie sich gewünscht an der Schreckhaftigkeit von Mila zu arbeiten, damit die Situationen in denen sie sich erschreckt weniger werden.
Langfristig war ihr Wunsch endlich entspannt mit Mila reiten zu können.
Das Losrennen und die Panik sollten enden, so dass man sie einfach nehmen und in der Halle oder auf dem Platz auch mit anderen reiten kann, ohne Befürchtungen zu haben.
Der zweite große Meilenstein war das Gelände. Am Liebsten würde sie alleine mit Mila ins Gelände gehen, da sie im Schichtdienst immer Schwierigkeiten hat einen Mitreiter zu finden. In Laufweite beginnt an deren Stall ein schönes Gelände mit einigen Feldwegen, durch Wald und zwischen den Äckern durch. Also wunderbare Voraussetzungen für entspannte Ritte nach einem anstrengenden Arbeitstag, wenn man denn das richtige Pferd dafür hat.
Wir hatten also einige Aufgaben zu bearbeiten 🙂

Als Mila sich dann einigermaßen beruhigt hatte sind wir einige Runden auf ihrem "Lieblingszirkel" gegangen, um die Strategie für Mila's Training kurz abzustimmen.
Dabei haben wir vor uns vor allem auf die folgenden Themenfelder konzentriert:
Kurzfristige Aufgaben:
-
Optimierung des täglichen Trainings
-
Führtraining optimieren
-
Gelassenheitstraining mit einem etwas anderen Ansatz
Langfristige Aufgaben:
-
Arbeiten an Druck und Druckverständnis
-
Arbeit vor allem auf dem Außenplatz
-
Spaziergänge - später bei Wind und Wetter
-
Das Ziel: Gelassenheit beim ersten Ausritt
Als wir uns einig waren haben wir Mila erst einmal weiter an der Longe arbeiten lassen. Sonja ist dabei mitgegangen, so dass sie trotz des kurzes Seils den ganzen Zirkel nutzen konnte. Das ist wie bei uns Menschen, Spannungen und Streß lösen sich am Besten in der Bewegung. Sie lief die ersten Minuten nach der Gesprächspause wieder sehr angespannt. Rücken weg, Kopf hoch, suchte geradezu nach Möglichkeiten sich aufzuregen, dabei lief sie fleißig, aber dabei blieb es auch. Sie wurde also nicht noch hektischer oder ging an der Longe durch. In dem Falle hätte man noch andere Maßnahmen ergreifen müssen, aber hier half uns die Geduld. Wir haben sie auf einer Hand longiert, bis man merkte, dass sie etwas ruhiger wurde. Um sie etwas zu beschäftigen haben wir dabei den Zirkel immer etwas verschoben, etwas verkleinert und wieder vergrößert, wenn sie gar zu sehr in der Longe hing haben wir gezupft, vor allem um wieder auf uns aufmerksam zu machen. Unser erstes Ziel war bei ersten Anzeichen von Entspannung eine Pause zu machen und Mila dadurch zu belohnen. Wenn also der Kopf etwas tiefer kam und sie abschnaubte haben wir sie durchpariert und sie durfte eine Runde im Schritt gehen. Normalerweise dürfen die Pferde dann hereinkommen und werden gelobt. In Mila's Fall war das zuerst noch nicht möglich, da sie einfach zu spannig war. Man konnte ihr aber geradezu beim Nachdenken zusehen, nach 2-3 Wiederholungen ging das Entspannen viel schneller und sie hatte ein Öhrchen konstant bei ihrer Besitzerin. Als sie dann nach einer besonders schönen Wiederholung in die Mitte durfte und gekrault wurde atmete sie ganz tief aus, der Kopf ging runter und sie begann zu gähnen. Die gesamte Anspannung des Tages fiel sichtlich von ihr ab und es war der perfekte Zeitpunkt das Training zu beenden.
Je entspannter ein Pferd den Trainingsplatz verlässt, desto mehr Spaß hat es am Folgetag den Platz wieder zu betreten.
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Hilfreich war es auch Mila anzugewöhnen, dass man sie sowohl von links als auch von rechts führen kann. Auf die Weise konnten wir uns zwischen den gruseligen Gegenstand und Mila positionieren und sie so schützen. Das heißt an der Hecke, aus der regelmäßig die Hofkatze sprang oder die Kinder dahinter laute Geräusche machten, sind wir zwischen Mila und Hecke gelaufen. So konnte Mila von der Hecke wegspringen ohne uns zu gefährden und wurde sowieso ruhiger, weil wir ja zuerst gefressen worden wären.

Parallel haben wir sie regelmäßig mit allen möglichen Gegenständen desensibilisiert, angefangen mit der Gerte und dem Stick, über ein Reitpad, diverse Jacken, Plane, Rappelsäcke bis hin zu einem riesigen Gymnastikball. Ja und die Stunde mit diesem Ball hatte es für mich in sich 😉 Ich durfte beinahe eine halbe Stunde Gymnastikball-dribbelnd vor Sonja und Mila hergehen, bis Mila sich entspannen konnte und bei erneutem dribbeln nicht wieder wegsprang. Bei ihr haben wir sehr langsam gearbeitet, das heißt in den meisten Fällen sind wir mit dem "Grusel" von ihr weggegangen und sie durfte hinterher gehen, als das "Aufregungsfrei" funktionierte durfte sie selbst den Gegenstand untersuchen und erst dann sind wir Stück für Stück mit dem jeweiligen Gegenstand auf sie zu gegangen und haben erst ihre Umgebung damit "gestreichelt" und am Ende sie selbst. Alles in ihrem Tempo und wir haben uns immer gefreut, wenn wir einen leichten Fluchtinstinkt auslösen konnten. Mila ist dann im Schritt "geflüchtet" und dem Gegenstand ausgewichen, das war unsere Chance mit dem Ding dran zu bleiben bis sie wieder stand um als Lob den Gegenstand dann komplett wegzulegen und ihr eine längere Pause zu gönnen. Während der Sequenzen durfte sie selbst den Gegenstand auch immer wieder ansehen, beschüffeln und hat auch dafür immer wieder Lob bekommen. Mit der Zeit schien sie immer neugieriger zu werden und die Anspannung verflog immer mehr und wurde bei jedem neuen Gegenstand weniger. Das war eine andere Strategie als die, die Sonja in ihrem Versuch des Gelassenheitstrainings ausprobiert hatte. Bei Sonja drehte sich alles um Leckerlie und darum, dass alles sehr ruhig und ohne Aufregung ablief. Sie hat ihr Ziel zwar auch erreicht, Mila konnte zum Beispiel entspannt über eine Plane gehen. Da der Fluchtinstinkt aber dabei nicht umprogrammiert wurde war der Effekt nicht so groß. Das heißt für die Plane zum Beispiel war alles OK, das hat sich aber nicht auf andere Gegenstände übertragen. Auf unsere Art und Weise wußte Mila, dass wir bei einer "Flucht" bei ihr sind bis sie sich wieder entspannt. So konnte das Vertrauen in uns gesteigert werden und dadurch, dass sie aus freien Stücken die Dinge entdecken und sich erarbeiten durfte stieg ihr Selbstbewusstsein auch enorm.

Wir haben im ersten halben Jahr viele Fortschritte gemacht und einige akute Probleme ganz gut in den Griff bekommen. Sonja konnte mittlerweile auch mit anderen in der Bahn reiten, ob auf dem Außenplatz oder in der Reithalle ist da fast egal. Nur an windigen Tagen oder bei viel Betrieb war die alte Anspannung wieder zu spüren. Mila hatte aufgehört bei jeder Kleinigkeit die Flucht zu ergreifen, klar zuckt sie manchmal noch zusammen, oder macht einen Schritt an die Seite - ihr wisst schon, die Hofkatze 😉 - aber die extremen Reaktionen bleiben aus und wir haben das Gefühl, dass Mila mehr in sich ruht und die Welt insgesamt entspannter wahrnimmt.
In den nächsten drei Folgen dieses Podcasts geht es jeweils um eine spannende Lernerfahrung aus diesem Basistraining mit Mila:
-
Gelassenheit gegenüber dem Horsemanstick
-
Die Sache mit dem Anbinden
-
Die Gruselecke wird die Lieblingsecke
Bis zum nächsten Podcast wünsche ich euch eine schöne Zeit
Eure Daniela
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* Name zur Anonymisierung geändert, Alle Fotos sind Symbolfotos
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